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Kinder als Symptomträger

Wenn Kinder "auffällig" werden, lohnt sich ein Blick auf das ganze System.

Oft kommen Eltern mit der Frage in die Beratung: „Was stimmt nicht mit dem Kind?“ . Dabei ist vermutlich eine Grundannahme, dass das "Problem", welches beim Kind gesehen werden, individuell betrachtet werden muss. Das Verhalten eines Kindes, sei es aggressiv, ängstlich, auffällig ruhig, überangepasst, oder weist es Suchttendenzen auf, wird häufig als individuelles Problem wahrgenommen und damit isoliert betrachtet. Doch in der systemischen Perspektive schauen wir anders: Wir betrachten das Kind als Teil eines größeren Systems – meist der Familie, meist auch des schulischen oder sozialen Umfelds.


Was bedeutet es, ein Symptomträger zu sein?

Kinder werden oft dann zu Symptomträgern, wenn sie Spannungen, unausgesprochene Konflikte oder Ungleichgewichte in ihrem System übernehmen und sichtbar machen. Sie reagieren auf Dynamiken, die nicht bewusst angesprochen oder gelöst werden können. Ihr Verhalten dient dabei nicht selten der Stabilisierung des Systems, auch wenn es für die Beteiligten schwierig oder belastend erscheint.


Ein Beispiel aus der Praxis

Ein zehnjähriger Junge zeigt plötzlich starkes aggressives Verhalten in der Schule. Die Eltern berichten, dass er zu Hause oft Wutanfälle bekommt und mit seinem jüngeren Geschwisterchen grob umgeht. Im Gespräch mit der Familie stellt sich heraus, dass die Eltern in einer angespannten Beziehungssituation stecken, die sie jedoch vor den Kindern zu verbergen versuchen. Der Junge nimmt diese Spannungen unbewusst wahr und "spiegelt" sie durch sein Verhalten. Sein Verhalten ist eine Einladung, genauer hinzuschauen: Was braucht das System, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen?


Wie hilft die systemische Sichtweise?

  1. Ressourcen statt Schuld: Statt nach dem "Fehler" beim Kind zu suchen, betrachten wir, welche Stärken und Ressourcen in der Familie oder im Umfeld vorhanden sind.

  2. Zusammenhänge erkennen: Die Frage lautet nicht: "Warum macht das Kind das?", sondern: "Für wen oder was macht es das?", sprich: "Was ist der gute Grund des Verhaltens?"

  3. Entlastung schaffen: Oft entlastet es Eltern, wenn sie erkennen, dass das Verhalten des Kindes nicht "bösartig" oder "absichtlich schwierig" ist, sondern Teil einer größeren Dynamik.


Die Rolle der Eltern

Eltern können viel bewirken, wenn sie bereit sind, selbst hinzuschauen und Veränderungen anzustoßen. Eine zentrale Frage könnte sein: "Welche unausgesprochenen Themen oder Muster aus unserer eigenen Geschichte könnten unser Kind belasten?" Hier setzt systemische Arbeit an, um einen Raum für Reflexion und Veränderung zu schaffen.


Abschließende Gedanken

Kinder als Symptomträger zu sehen, heißt nicht, ihnen die Verantwortung für familiäre oder systemische Probleme zuzuschreiben. Vielmehr geht es darum, ihre Signale ernst zu nehmen und zu verstehen, dass sie mit ihrem Verhalten oft den Wunsch ausdrücken, auf ungelöste Themen aufmerksam zu machen. Mit einer offenen Haltung und systemischen Impulsen können Eltern, Erziehende und Fachkräfte dazu beitragen, dass sich das System und damit auch das Kind wieder in Balance bringen können.

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